Die Evolutionsgeschichte der Dental Flyers (Von Martin Born)
Es war einmal eine Eisfläche, die fühlte sich besonders am Samstagmorgen schrecklich einsam. Da traf es sich gut, dass sich im Jahr 1977 ein junger, ranker, dynamischer Zahnarzt, der ein paar Jahre zuvor in einer denkwürdigen Exhibition zwischen Schulamt und VBZ Eishockey-Weltpremiere gefeiert hatte, in Dübendorf nach freiem Eis erkundigte. Die beiden trafen sich, und es begann eine Liebesgeschichte, deren Ende auch jetzt, 28 Jahre danach, noch immer nicht abzusehen ist. Doch blenden wir zurück.
Die Eisfläche ist zu Beginn etwas enttäuscht, dass der kräftig gebaute Zahnarzt anderes im Sinn hat, als Rittberger und doppelte Salchows aufs Glatteis zu zaubern. Doch mit stoischer Ruhe erträgt sie das, was Wäckerle in einem Anflug von Weitsicht trotzig Eishockey nennt. Und schon sehr bald ist sie stolz auf die Mannschaft, die der playing-ruling-coaching- schnorring-and-falling-President (PRCSFP) im zahnärztlichen Kollegenkreis zusammen trommelt, am 5. Juli im Tobelhof zu Zürich gründet und auf den Namen Dental Flyers taufen lässt. Eigentlich sollte der Klub Trident Flyers heissen, doch Trident steigt als Sponsor noch vor dem Einstieg aus.
Checkliste fürs erste Training
Sechzehn Flieger werden für das erste Training am 15. Oktober 1977 aufgeboten. Dem Aufgebot liegt eine Checkliste bei. So weiss jeder, dass seine Schlittschuhe geschliffen sein sollten und es kein Nachteil ist, wenn sie vorher schon ausprobiert worden sind. Ausserdem wird die Mitnahme von folgendem Material empfohlen: Unterwäsche (langärmliges Leibchen), ev. zwei Paar Strümpfe, Dusch-Utensilien, Strumpfhalter, Strumpfbänder, Hosenträger, Helm/Mundschutz, Ellbogenschoner, Schulterschutz, Schienbeinschoner, Tiefschutz, Hosen und Stulpen, 1 Hockeystock, langärmliges Trainingsleibchen (z. B. grosser Universitätspullover), Hockeyhandschuhe.
Also kann es losgehen, und es dauert nicht lange, bis die Namen der Ur-Flyers zu Legenden werden, die so leicht auf der Zunge zergehen wie Bobby Hull, Wayne Gretzky, Vaclav Nedomansky und Mario Eichholzer. Lehnen Sie sich zurück und lesen Sie laut vor: Beat Wäckerle (Gründungspräsident auf Lebzeiten), Urs Burckhardt (Wuschelkopf auf Lebzeiten und Vater in spe), Jack Frei (the one and only), Guido Gschwend (ebenfalls), Andreas Jäggin (auch schon etwas vom Olma-Sturm gehört?), Roland Däschler (siehe Jäggin), Beat Gloor (siehe Jäggin), Urs (Stumpen-)Schefer, Guido Gozzi (der erste Finanzchef), Jörg «The Professor» Strub, Guido Macek, Andreas Betschardt, Rolf Haubensack, Albert Gasser und - als einziger Nichtbohrer - Christof «The wild one» Wäckerle (erster Torwart).
Das Präsidentenkarussell dreht sich
Schon während der ersten Jahre der Eisenzeit, in der Präsident Wäckerle als Diktator herrscht und wütet, wird der Zahnschmelz des Teams aufgeweicht. Mit Peter Burkhardt und Hubi-Hubi-Goal Zehnder werden zuerst zwar weitere Dentisten verpflichtet, doch dann wird Weltmann René Marti eingekauft; Dr. iur. Friedrich Spörri, bekannt und beliebt als Fritz «the flying Cat», stösst als Dribbelkönig dazu, Fredy Margelist, beginnt sein Unwesen zu treiben und mit Markus Frei wird ein Supergoalie verpflichtet. Der hat erstens das Verdienst, sein Tor meistens rein zu halten und zweitens die Dankbarkeit aller, weil er (nach einem heftigen Wahlkampf) die vierjährige Wäckerlesche Schreckensherrschaft beendet.
Danach dreht sich das Präsidentenkarussell beängstigend schnell. Auf Frei folgt Bruno Attinger, danach setzt sich Major a. D. Hitsch Krauer in einer dramatischen Kampfwahl gegen René Marti durch, und zu Beginn des letzten Jahrzehnt dieses Jahrtausends ist der Weg frei für das kreative Chaos unter Oberleutnant a. D. (und noch immer nicht Vater) Urs Burkhardt. Das Verdienst des Seefelder Edeldentisten ist die Wachablösung, die er -flankiert von Weltmann Fritz Spörri- einleitet und durchzieht.
Acht satte Zahnärzte der ersten und zweiten Stunde werden ausgemustert und vorwiegend durch hungrige, knackige Journalisten ersetzt. Namen gefällig? Hier sind sie: Guido Tognoni, der Erfinder des Diagonalpasses vor dem eigenen Tor, Fredy Wettstein, der Erfinder der getürkten Waage, René Stauffer, der Erfinder von Martina Hingis, Daniel Wehrle, genannt Blitz, und Martin Born, damals noch nicht bekannt als Gordie. Im übrigen stösst mit Multitalent Umbi Dalle Grave (Goalie, Feldspieler, Schiri) ein Vertreter der Wäckerleschen Kundschaft dazu.
Begehrter Beautysturm
Zu dieser Zeit begründet Fritz «The still flying Cat» den legendären Beautysturm. Seine dynamische, silberne Himmelfahrtsfrisur gibt der Formation den Namen, doch er hat das Pech, dass er schon nach einem Jahr als überzähliger Schöner hinausfliegt. Er weigert sich, den gleichen Figaro noch einmal aufzusuchen und muss mit ansehen, wie Gründungsmitglied Peter Burkhardt mit den eigens zur Bildung eines Beauty-Sturms eingekauften Michi Zoppi und Roman Borer den Namen für sich beansprucht. Übrigens Burki II wird wenig später durch Felix «The Goal scoring Machine» ersetzt. Der hat zwar keine silbernen Haare und beraubt den Sturm dadurch seines Namens. Dafür trifft er regelmässig ins Netz.
Highlights 1987: Zum Jubiläum des zehnten Geburtstags verunsichert ein Fähnlein von vier aufrechten Flyers die Playa del Inglés auf den Kanarischen Inseln. Sie suchen verzweifelt das Eis, auf dem eine C-WM ausgetragen worden ist, finden aber nur einen Oleander, der den Weg bis nach Zürich schafft.
Altgediente Flieger bedauern, dass sich unter dem sanften 68er Burki eine heimtückische Ruhe ins Team schleicht. Nach dem Spiel herrscht unter der Dusche jetzt plötzlich ein Gedränge, weil die Zeit des gestaffelten Duschens vorbei ist. Sistiert, aber nicht angeschafft: siehe Highlight
Barcelona ist auch die Zeit der unendlichen Nächte, die besonders bei den beliebten Gastspielen in Davos selten vor der Schlusssirene des nächsten Abends aufhörten. Aus dieser Zeit stammt übrigens auch der «doppelte Marti», eine eingesprungene Flieger-Pirouette,
rittlings-gespreizt und eingehockt.
Die 90er
Die 90er Jahre bringen ein spektakuläres Comeback von Beat Wäckerle als Präsident (mit Martin Born als Aktuar und Hans Jörg Meier als Kassier), eine Ausdehnung des Spielplanes auf fast 40 Spiele, den Wechsel vom Samstag morgen auf den Donnerstag Abend und weitere Emsigkeit auf dem Transfermarkt. Mit Flo Lehmann wird Profiblut eingekauft, mit Ueli Eckstein Verlags-Know-how, Heinz Sigrist und Werner Bayer verstärken die Kloten-Fraktion Meiers, mit Peter Zumsteg wird die Ära von Steve Kessler im Tor beendet, mit Willy Kuster werden im Multipack auch Fasnachtschüechli eingekauft, und dank Christoph Damur wird die Zahnärzte-Fraktion um 33,3 und jene der U-30 um unendlich viele Prozent vergrössert.
1992: Zum 15-Jahr-Jubiläum reisen zehn wackere Wäckerle-Jünger zur Weiterbildung an die A-WM in Prag. Sie lernen dort von Schweizer Spitzentrainern in der VIP-Lounge vor allem den gepflegten Umgang mit multikulturellen Drinks und einen etwas andren Zugang zum Forechecking. Über den Rest wird Stillschweigen beschlossen.
Kanadischer Spirit
1997 beginnt ein neues Zeitalter - jenes der kanadischen Dental Flyers. Goalie Dave Fitzpatrick, Sportdirektor im internationalen Eishockey-Verband, und Verteidiger Chris Reynolds, früher einmal Trainer auf der ganzen Welt (inkl. EHC Biel) und Entwicklungschef des Welteishockeys, impfen der ohnehin schon hoch entwickelten Mannschaft kanadischen Spirit ein. Und siehe da: Plötzlich stehen Flyers auf dem Eis, die bis zum Umfallen kämpfen.
Den zwanzigsten Geburtstag feiern die Flyers 1997 mit einem denkwürdigen Gastspiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nach Abu Dhabi reisen sie im Gefühl, einer bedürftigen Eishockey-Nation Entwicklungshilfe zu leisten, heim fliegen sie mit zwei gröberen Packungen. In Al Ain, der Oase mitten in der Wüste, treffen sie auf eine Auswahl schrecklich junger Einheimischer, die, unterstützt von einem fanatischen Publikum den frühen 0:1-Rückstand in einen 11:1 Sieg verwandeln. Im zweiten Spiel wirds noch schlimmer: In Abu Dhabi putzt uns eine Auswahl hungriger Kanadier mit 15:2 ab. Dafür gibt es Trost danach bei Ayisha.
Ab sofort zählt nur noch Leistung
Im Herbst 1998 hat Wäckerle seine Schuldigkeit als Präsident getan und tritt zurück. Mit ihm gibt Hansjörg Meier die Kasse ab. Nach einer stürmischen Wahlschlacht im Klotener Fondue-Stübli ergreifen Martin Born (el Presidente), Ueli Eckstein (Finanzchef) und Umberto Dalle Grave (Sportchef) die Macht. Seither pfeift ein eisiger Wind durch den Cow Palace in Dübendorf. Ab sofort zählt nur noch die Leistung. Das zeigt sich auch an der Einkaufsliste des neuen Präsidiums: Den Giant Hogs werden Raphael Brennwald und Andreas Handschin abgeluchst, mit Andy Graf wird eine diplomierte Kampfsau eingekauft. Und mit Mark Harland wird die Kanada-Fraktion, die unter dem Trainer-Engagement von Chris Reynolds in Zug leidet, in Schwung gehalten. Das Ergebnis - siehe Spielberichte.
1999: Zu Ehren von René Fasel, dem Präsidenten des Internationalen Eishockey-Verbandes, reisen die Flyers im März nach Barcelona. Der Gegner im Nou Camp: FC Barcelona Senioren (ohne Cruyff, aber mit vielen ehemaligen spanischen und kanadischen Erstdivisions-Spielern). Es sind zwei denkwürdige Spiele für die mit den NHL-Kanadiern Brad «the Chicken» Kwang und JD Kershaw verstärkten Flieger. Im ersten steht es sieben Minuten vor Schluss 7:10, doch sieben Sekunden vor Schluss -der Goalie ist längst draussen- erzielt GSM Zanin den Ausgleich. Nur 20 Stunden später fahren wir dort fort, wo wir aufgehört haben und putzen den Gegner 9:2 weg. Es ist ein Sieg der gezielten Vorbereitung in den von Frank Gonzales, unserem perfekten Gastgeber, mit peinlichster Sorgfalt ausgesuchten Tapas Bars und dem sehr sorgfältigen Nachtleben im Anschluss daran.
Der EHC Dental Flyers ist ein in der Stadt Dübendorf eingetragener Verein